Reher Kratt
Lage und Geschichte des NSG
Das 15,6 ha große Naturschutzgebiet "Reher Kratt" liegt ganz im Nord-Osten des Kreises Steinburg, 8 km südwestlich von Hohenwestedt und wurde bereits 1928 und 1930 auf Initiative des Kieler Studienrates Dr. H. Rohwedder, eines ehemaligen Bauernsohnes aus Wapelfeld, mit Privatgeldern durch den Kreis Steinburg angekauft. Es handelt sich dabei um ehemalige Eichen-Niederwälder, sogenannte "Kratts", die teilweise bereits zu Hochwäldern durchwachsen sind und Ausdruck der einstigen Bewirtschaftung durch den Menschen sind. Am 31.01.1938 wurde das Gebiet zum Naturschutzgebiet erklärt.
Entstehung
Das Reher Kratt liegt in etwa 30 m Höhe über NN auf einem schwach ausgeprägten Geestrücken. Es ist gekennzeichnet durch leichte, sandige Böden (Eisen-Humus-Podsol bis Parabraunerden), die aus Schmelzwasserablagerungen der letzten Eiszeit bestehen. Die stark ausgewaschenen Böden sind kalk- und nährstoffarm und neigen zur Ortsteinbildung. Stiel- und Traubeneichen sind dominierende Arten der für diesen Standort typischen Waldgesellschaft. Nach älteren Dokumenten haben ungeregelter und übermäßiger Einschlag zur Brenn- und Bauholzgewinnung, die Gewinnung von Eichenrinde für die Ledergerbung, aber auch die Beweidung mit Schafen und Rindern zur Ausbildung solcher Eichen-Niederwälder geführt. Die rücksichtslose Ausnutzung der vorhandenen Ressourcen hat die Auflichtung der einzelnen Waldparzellen begünstigt und letztlich zum Nebeneinander von Heiden, verschiedenen Buschstadien sowie krüppeligen Eichen-Stockausschlägen bis hin zu hochwüchsigen Eichenbeständen geführt. Dieses dichte Nebeneinander verschiedenster Pflanzengesellschaften führte auch zu einer Vielfältigkeit von Pflanzenarten, die im Reher Kratt einmalig ist.
Ökologische Bedeutung
Krattwälder sind ökologisch wertvolle Pflanzenformationen, die als Reste einer alten Kulturform auch landeskundliche Bedeutung besitzen und in Schleswig-Holstein nur noch selten vorkommen. Typisches Erscheinungsbild eines Kratts sind die Verjüngung aus dem Stockausschlag (vergleichbar mit den Knicks), eine relativ niedrige Bestandshöhe sowie der charakteristische Krüppelwuchs der Bäume. Durch die frühere Bewirtschaftung des "Krattens", d. h. des jährlichen Auf-den-Stock-Setzen's von Teilflächen wurde ein kleinflächiges System windgeschützter, sonnenbeschienener, lichter Bereiche geschaffen, in denen sich wärmeliebende Pflanzen- und Tierarten ausbreiten konnten. Im eher beschatteten Bereich des Krattwaldes kommen neben Arten wie Schattenblume (Majanthemum bifolium), Maiglöckchen (Convallaria majalis), Drahtschmiele (Avenella flexuosa) und Wiesenwachtelweizen (Melampyrum pratense) auch auf der Roten Liste stehende Arten wie die Ästige Graslilie (Anthericum ramosum), Färberscharte (Serratula tinctoria) und Echter Salomonsiegel (Polygonatum odoratum) vor. An einer Stelle wurde (einmalig im Kreis Steinburg) auch die Astlose Graslilie (Anthericum liliago) vorgefunden.
Auf der etwa 1 ha großen Lichtungsfläche im östlichen Bereich des "Reher Kratts" dominieren dagegen die Besenheidengesellschaften. Neben zahlreichen alten Wacholdern wurden erstmals 2006/2007 ca. 20 Wacholdersämlinge entdeckt. Daneben finden sich hier einige, in Schleswig-Holstein gefährdete Pflanzenarten, wie z. B. die Zweiblättrige Waldhyazinthe (Plantanthera befolia), das Gefleckte Knabenkraut (Orchis maculata), der Englische Ginster (Genista anglica), der Behaarte Ginster (Genista pilosa), die Arnika (Arnica montana) sowie zwei Bärlapparten.
Neben der Flora ist das "Reher Kratt" auch ein Refugium für zahlreiche Tierarten, insbesondere Insekten. Allein 148 Arten der Hautflügler, 70 Arten der Blattwespen und 175 verschiedene Mücken- und Fliegenarten sowie verschiedene Netzflügler wurden hier festgestellt. Untersuchungen haben ergeben, dass einige Arten der wärmeliebenden Goldwespen, der sonnenliebenden Wegwespen sowie Spinnenarten hier im "Reher Kratt" eines ihrer letzten Vorkommen in Schleswig-Holstein besitzen. Einmalig ist auch das Vorkommen von Schlangen- und Eidechsen: 5 der 6 heimischen Arten wurden hier beobachtet, darunter auch die sehr seltene Glattnatter.
Die Bedeutung des Reher Kratts wurde in zahlreichen Schriften und Publikationen immer wieder dokumentiert: Bereits 1930/31 erschien die erste biologische Arbeit durch Dr. W. Christiansen.
Pflegemaßnahmen
Bis in die 60er Jahre hinein wurde das Kratt mehr oder weniger regelmäßig von den ehemaligen Eigentümern zur Brennholzverwertung und Heidemahd genutzt. Trotzdem verbuschten die Freiflächen immer mehr und die Wacholder verkümmerten infolge des Konkurrenzdrucks von Faulbäumen und Eichen. Auf der Grundlage eines 1967 entwickelten Bewirtschaftungsplanes wurden deshalb zunächst kleiner Teilflächen auf den Stock gesetzt.
Da der Charakter des Schutzgebietes als Eichenkratt und Heide nur durch Pflegemaßnahmen zu erhalten ist, die an die früheren Nutzungsweisen anschließen, erfolgte deshalb unter der Leitung der unteren Landschaftspflegebehörde in den Jahren 1977 bis 1985 ein planmäßiges "Auf den Stock Setzen" von jeweils etwa 1 ha, später 0,5 ha Krattwald durch freiwillige Helfer. Um den Bestand von Wacholdern erhalten zu können, entfernte man im Umkreis von etwa 20 m sämtliche konkurrierende Bäume und Sträucher. 1985 wurde zudem eine vergraste Heidefläche geplaggt, das heißt, die gesamte Vegetationsdecke flach unterstochen und entfernt. Auf dem sandigen Rohboden entwickelte sich rasch ein geschlossener Calluna-Bestand.
Zusätzlich dazu wurden ab 1982 bis 2003 die vorhandenen Lichtungsflächen einmal jährlich im September/Oktober gemäht, um insbesondere die mit Arnika und Orchideen bestandenen Bereich frei von Faulbaum, Birken und Adlerfarn zu halten. Seit 2002 übernimmt diese Aufgabe eine Wanderschafherde, die nach der Blütezeit im August für jeweils 2 Wochen auf die freien Flächen im "Reher Kratt" getrieben wird und Gehölze sowie aufkommende Gräser verbeißt.
Erweiterungsflächen
Um Nährstoffeinträge zu verhindern, die die empfindlichen Lebensgemeinschaften schädigen würden, sind in Zusammenarbeit mit der Stiftung Naturschutz SH und dem NABU seit 1982 insgesamt rund 60 ha forst- bzw. landwirtschaftlich genutzte Flächen angekauft worden, die sich mehr oder weniger direkt an das Schutzgebiet anschließen. Durch die entsprechenden Pflegemaßnahmen wurden bzw. werden diese Flächen derzeit als Schutzzone entwickelt.
Ein Tipp für Besucher
Man kann das Naturschutzgebiet über die markierten Wanderpfade erleben, eine Rundwanderung ist nur über die Spurbahn möglich. Wie in allen anderen NSG's gilt auch hier: Das Betreten des Naturschutzgebietes ist grundsätzlich nur auf den Wegen gestattet. 2008/2009 sollen - im Rahmen des landesweiten Besucherinformationssystems für die Naturschutzgebiete - entsprechend aufgestellte Informationstafeln auf die Besonderheiten des Naturschutzgebietes "Reher Kratt" hinweisen.
Verordnungstext
Verordnung über das "Naturschutzgebiet Reher Kratt" in der Gemarkung Reher, Kreis Steinburg
Auf Grund der §§ 4, 12 Absatz 2, 13 Abs. 2, 15 und 16 Absatz 2 des Naturschutzgesetzes vom 26. Juni 1935 (RGBl. I Seite 821) sowie des § 7 Absatz 1 und § 5 der Durchführungsverordnung vom 31. Oktober 1935 (RGBl. I Seite 1275) wird mit Zustimmung der obersten Naturschutzbehörde folgendes verordnet:
§ 1
Das rund 1500 m südöstlich von Reher in der Gemarkung Reher, Kreis Steinburg, liegende Reher Kratt wird in dem im § 2 Absatz 1 näher bezeichneten Umfange mit dem Tage der Bekanntgabe dieser Verordnung in das Reichsnaturschutzbuch eingetragen und damit unter den Schutz des Reichsnaturschutzgesetzes gestellt.
§ 2
(1) Das Schutzgebiet hat eine Größe von 15,5726 ha und umfaßt in der Gemarkung Reher, Kartenblatt 8, die Parzellen Nr. 104/65, 64 und Kartenblatt 9 Parzelle 69/43.
(2) Die Grenzen des Naturschutzgebietes sind in ein Meßtischblatt 1 : 25000 und in eine Katasterhandzeichnung 1 : 5000 rot eingetragen, die bei der obersten Naturschutzbehörde niedergelegt sind. Weitere Ausfertigungen dieser Karten befinden sich bei der Reichsstelle für Naturschutz, bei der höheren Naturschutzbehörde in Schleswig, der unteren Naturschutzbehörde in Itzehoe und bei dem Bürgermeister in Reher.
§ 3
Im Bereich des Schutzgebietes ist verboten:
a) Pflanzen zu beschädigen, auszureißen, auszugraben oder Teile davon abzupflücken, abzuschneiden oder abzureißen,
b) freilebenden Tieren nachzustellen, sie mutwillig zu beunruhigen, zu ihrem Fang geeignete Vorrichtungen anzubringen, sie zu fangen oder zu töten, oder Puppen, Larven, Eier oder Nester und sonstige Brut- und Wohnstätten solcher Tiere fortzunehmen oder zu beschädigen, unbeschadet der berechtigten Abwehrmaßnahmen gegen Kulturschädlinge oder sonst lästige oder blutsaugenden Insekten,
c) Pflanzen oder Tiere einzubringen,
d) die Wege zu verlassen, zu lärmen, Feuer anzumachen, Abfälle wegzuwerfen, oder das Gelände auf andere Weise zu beeinträchigen,
e) Bodenbestandteile abzubauen, Sprengungen oder Grabungen vorzunehmen, Schutt- oder Bodenbestandteile einzubringen, oder die Bodengestalt auf andere Weise zu verändern oder zu beschädigen,
f) Bild- oder Schrifttafeln anzubringen, soweit sie nicht auf den Schutz des Gebietes hinweisen.
§ 4
(1) Unberührt bleiben:
a) die rechtmäßige Ausübung der Jagd,
b) das Mähen der Heideflächen alle 4 bis 5 Jahre.
(2) In besonderen Fällen können Ausnahmen von den Vorschriften dieser Verordnung von mir genehmigt werden.
§ 5
Wer den Vorschriften dieser Verordnung zuwiderhandelt, wird nach den §§ 21 und 22 des Naturschutzgesetzes und den §§ 15 und 16 der Durchführungsverordnung bestraft.
§ 6
Diese Verordnung tritt mit ihrer Bekanntgabe im Regierungsamtsblatt in Kraft.
Schleswig, den 31. Januar 1938
Der Regierungspräsident
als höhere Naturschutzbehörde