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Wenn Familien Hilfe brauchen

Das Kinderschutzteam des Steinburger Jugendamtes Von links nach rechts: Hildegard Winter, Melanie Fuhrmann-Köhne, Gudrun Schreiber, Cornelia Erdmann

16.02.22: „Hallo, ich möchte was melden. Bei uns im Haus wohnt eine Familie mit zwei Kindern, Familie M. Das Mädchen Samantha  ist ca. sechs Jahre und der Junge Jason, etwa acht Jahre alt (alle Namen geändert). Die Kinder werden von den Eltern oft angeschrien und beschimpft . Die Mutter schreit die Tochter an: Du Sch…Blag, kannst du denn gar nichts? Eben habe ich gesehen, wie der Vater Jason auf den Kopf geschlagen hat, weil er nicht schnell genug die Treppe hoch gegangen ist. Aus der Wohnung höre ich oft erst ein lautes Schreien und Schimpfen und dann sowas wie einen Schlag. Und dann weint ein Kind plötzlich los. Ich glaube, die Eltern sind mit ihren Kindern völlig überfordert. Der Junge ist ganz verstört und traut sich nichts zu erzählen. Ich habe ihn ein paar mal gefragt, ob es ihm gut geht. Aber sagen Sie nicht, dass Sie das von mir haben. Ich will keinen Ärger und die Familie hat auch einen Hund, vor dem habe ich richtig Angst."

So oder so ähnlich klingen viele Anrufe, die Hildegard Winter und ihr Team jeden Tag erhalten. Gudrun Schreiber, Cornelia Erdmann und Melanie Fuhrmann-Köhne arbeiten im Kinderschutzteam des Jugendamtes, das unter der Leitung von Hildegard Winter seit 2017 besteht und zu der Abteilung Besondere Soziale Dienste  gehört. Alle vier Kolleginnen sind Sozialpädagoginnen mit Zusatzausbildungen. Sie nehmen Kindeswohlgefährdungsmeldungen aus dem gesamten Kreisgebiet entgegen -  bis zu 300 pro Jahr. Meldungen kommen aus dem privaten Umfeld von Familien, aber auch aus Kitas, Schulen, Kliniken, von Ärzten oder der Polizei. Gemeldet werden körperliche und seelische Misshandlungen, gesundheitliche Gefährdungen, Verwahrlosung oder sexuelle Übergriffe. Auch häusliche Gewalt wird von der Polizei gemeldet, wenn Kinder in der Familie leben. Eltern denken oft, dass Kinder ihre Streitigkeiten nicht mitbekommen, weil sie ja schlafen oder nicht im Raum waren. Aber Gewalt dringt durch Wände. Kinder empfinden das häusliche Szenario als bedrohlich, sie haben Angst, fühlen sich ohnmächtig oder schuldig.

Das Kinderschutzteam verfügt über ein gutes Netzwerk im Kreis. Bei Verdacht auf eine sexuelle Misshandlung kann es auf die Kompetenz der Beratungsstelle Pro Familia zurückgreifen. Bedarf es einer ärztlichen Expertise, ob körperliche Spuren beim Kind, wie blaue Flecken oder Striemen, durch die Erklärung der Eltern nachvollziehbar sind oder doch auf eine Misshandlung hindeuten, wird das Kind im Klinikum Itzehoe vorgestellt oder es wird sogar die Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf hinzugezogen.

Das Kinderschutzteam würde oft nichts von Gefährdungen erfahren, denen Kinder ausge-setzt sein können, wenn nicht Menschen wie die Nachbarin der Familie M. den Mut aufbrin-gen und ihre Beobachtungen und Sorgen dem Jugendamt mitteilen würden. Die Melderin konnte beruhigt werden: Ihr Name wird von den Mitarbeiterinnen des Kinderschutzteams ge-genüber der Familie nicht  genannt.

Aber es sind nicht nur verantwortungsvolle Mitmenschen, die ihre oft berechtigten Sorgen um Kinder weitergeben. Immer wieder gibt es auch Versuche, private Streitigkeiten mit ge-trennten Partnern oder Partnerinnen, Nachbarn oder Bekannten über das Jugendamt auszu-tragen. In dem Wissen, dass das Kinderschutzteam reagieren muss, werden Behauptungen aufgestellt, die sich als völlig haltlos erweisen. Der Wunsch, jemandem eins auszuwischen war dann der Antrieb - nicht die echte Sorge um Kinder, die in ihrer Familie vielleicht nicht gut behandelt werden.

Wie geht es nun weiter mit dem Anruf der Nachbarin? Mindestens zwei Mitarbeiterinnen des Teams Kinderschutz nehmen gemeinsam eine erste Einschätzung vor, wie gravierend die Angaben der Anruferin sind und wie dringlich ein Hausbesuch stattfinden muss. Das Team versucht weitere Informationen über die Familie zusammenzutragen. Ist die Familie beim Jugendamt bekannt? In welche Schule gehen die Kinder? Während sonst ein strenger Da-tenschutz greift, sind Institutionen berechtigt,  Daten, die zur Abklärung einer Kindeswohl-gefährdung notwendig sind, an das Jugendamt weiter zu geben.

Erkennen die Mitarbeiterinnen gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls von Samantha und Jason, werden sie eine Gefährdungseinschätzung vornehmen und sich einen persönlichen Eindruck von den Kindern und ihrer Umgebung verschaffen. In der Regel be-deutet das für mindestens zwei der Kolleginnen des Kinderschutzteams einen unangekün-digten Hausbesuch bei der Familie M. zu machen, bei dem sie auch darauf bestehen werden, mit Samantha und Jason allein zu sprechen und deren Sicht der Dinge, ihre Wünsche und Ängste zu erfragen. 

Grundsätzlich werden die Mitarbeiterinnen des Kinderschutzteams sich darum bemühen, die Eltern zur Einsicht und zur Mitarbeit bei der Abwendung von Gefährdungen für ihre Kinder zu gewinnen. Oft sind Eltern selbst unzufrieden mit ihrem Verhalten, fühlen sich überfordert  und sehen die eigenen Grenzen. Hier kann vielleicht eine Beratungsstelle oder eine Sozial-pädagogische Familienhilfe den Veränderungswillen unterstützen. Auch für die Kinder können Möglichkeiten geschaffen werden, z.B. ein ganztägiger Schulbesuch oder die Teilnahme an einer sozialen Gruppe.

Wenn die Gefährdung erkennbar  ist, können die Eltern mit einem Schutzplan zur Mitwirkung verpflichtet werden, die Gefährdungsmomente für ihre Kinder abzubauen. Manche Sachver-halte lassen sich schnell klären, andere Familien werden über Monate begleitet.

Ist die Gefahr für Kinder akut, kann das Kinderschutzteam sie in Obhut nehmen. Das heißt, dass sie zumindest vorübergehend von ihrer Familie getrennt werden. Tatsächlich kommt das aber seltener vor als allgemein angenommen wird. Sind die Eltern nicht einverstanden oder sind sie zu keiner Mitarbeit bereit, muss das Jugendamt das Familiengericht einschalten. Kinder wünschen sich in der Regel, dass es zu Hause mit ihren Eltern besser läuft und nicht, ganz von ihren Eltern getrennt zu werden.

Für Hildegard Winter, Gudrun Schreiber, Cornelia Erdmann und Melanie Fuhrmann-Köhne gilt es, jeden einzelnen Fall genau abzuwägen, Chancen zu erkennen und nie nachzulassen, bei den Eltern um ihre Mitarbeit zu werben. Eltern sind Experten für ihre Kinder, manchmal benötigen sie aber eine Art Anschubhilfe, um ihre Aufgabe wieder alleine bewältigen zu kön-nen. 

Gravierende Fälle von Gewalt und Vernachlässigung gehen auch den erfahrenen Mitarbeite-rinnen des Kinderschutzteams nahe. Um damit einen Umgang zu finden, sind klare dienstli-che Vorgaben, kollegialer Austausch, eine externe Supervision  aber auch die verlässliche Unterstützung der eigenen Vorgesetzten notwendig. Dann kann das Kinderschutzteam jeden Tag wieder seiner anspruchsvollen Aufgabe nachkommen, die  Kinder im Kreis Steinburg zu schützen. So wie Samantha und Jason, die viel lieber zu Hause sind, seit ihre Eltern nicht mehr so viel schreien und sie keine Angst vor Schlägen haben müssen. Es ist noch nicht alles gut, aber es ist auf dem Weg und das ist viel.

Kontakte:

E-Mail: Kinderschutz@steinburg.de

Telefon: 04821-69-551

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